Daniela Keiser – Die Welt in Blau
Daniela Keiser, 20. Cyanocosmos, Staub d, 2021, Cyanotypie, 76 x 56.8 cm, Papier: BFK-Rives, @ Daniela Keiser

Die Graphische Sammlung der ETH Zürich bildet das perfekte Setting für die Ausstellung der Konzeptkünstlerin Daniela Keiser, die uns einlädt, die Welt aus einer blauen Perspektive zu erforschen. Ein «blueprint» von grosser ästhetischer Kraft.

Zürich — Was wäre gewesen, wenn vor der Erfindung der Farbfotografie nicht Schwarz-Weiss, sondern Blau unsere Sicht geprägt hätte? Die Farbe des Him­mels und des Wassers, des Mondlichts und der Träume? Die Cyanotypie gehörte zu den frühsten fotografischen Ver­fah­ren. Berühmt ist das erste Fotobuch der Geschichte, in dem die Botanikerin und Fotopionierin Anna Atkins ihre Algen­sammlung katalogisierte. Die Foto­gramme dieser schwer zu zeichnenden Wasser­lebewesen waren nicht nur von naturwissenschaftlichem, sondern auch von ästhetischem Wert. Die Cyanotypie, notabene erfunden von einem Astro­nomen, scheint von Beginn an verschie­dene Sphären vereint zu haben: das Weltall mit den Ozeanen, die Wissen­schaft mit der Kunst.

In dieses weite Spektrum ist die Ausstellung von Daniela Keiser (*1963, Neuhausen) eingebettet. Die Künstlerin versammelt darin eigene und gefundene digitale Fotografien, die sie alle als Cyanotypien gedruckt hat. Nicht die Algen sind bei ihr das verbin­dende Element, sondern, wenn man so will, das Wasser darum herum, das Blau, das sich herauskristallisiert, wenn die Eisenlösung belichtet wird. Die «Blue Links» fliessen nach allen Seiten und zeichnen die mäandrierenden Wege nach, denen Daniela Keiser auf ihren Recherchen gefolgt ist.

Dabei begegnete sie unter anderem der «Blauen Banane», einer Theorie von 1989, die einen Wirtschafts­raum zwischen Manchester und Mailand beschrieb. In einem Bild der NASA wird die gekrümmte Form als Leuchtband sichtbar; in einem anderen blicken wir in einen Lastwagen, der Bananen transportiert. Immer wieder zeigen sich Struk­turen, als hätte sich mit den blauen Kristallen auch das Sujet herausgebildet. Türme von Früchten an einem Marktstand, das Innere eines Granatapfels oder Gletscherzungen. Auf einer Wand, die sich wie eine tektonische Platte in den Ausstellungsraum schiebt, setzen sich einzelne Papiere zu riesigen geologischen Flysch- oder Basalt­struk­turen zusammen, die Daniela Keiser auf ihren Reisen an die Ränder der «Blauen Banane» aufspürte. Die Werke erzeugen Tiefe, als könnten wir in die Land­schaf­ten eintreten. Doch der Raster, der an die Pixel von digitalen Bildern erinnert, bricht den Sog wieder.

Das Netzwerk von Daniela Keiser bleibt beweglich. Es hat viele offenen Enden, die zu weiteren Verbin­dun­gen einladen. Begleitet wird die Ausstellung von einem wunder­schö­nen weichen, dicken, aber leichten Kata­log, der uns ermöglicht, im Nach­gang wieder in die Welt in Blau einzutauchen.

Erschienen anlässlich der Ausstellung

Daniela Keiser – Die Welt in Blau. Cyanotypes

Graphische Sammlung der ETH Zürich

30. März bis 26. Juni 2022

gs.ethz.ch

 

Publiziert in:

Kunstbulletin 6/2022, S. 136/137.

kunstbulletin.ch