Mit Geduld und Beharrlichkeit Kunst fördern, ihr Sichtbarkeit und Zeit geben. Die Walter A. Bechtler Stiftung eröffnet neue Räume mitten in der Wohnsiedlung und bringt damit die Transformation des Zellweger Parks in Uster zum krönenden Abschluss.

Uster — Die Kunst war schon da, als die Bechtlers die Entwicklung des vor­ma­ligen Industrieareals der Zellweger Luwa AG in ein Wohn- und Arbeits­quartier angingen. Der «Moosfelsen» von Peter Fischli und David Weiss lag wie ein Ur­gestein im Gehölz. Tadashi Kawamatas «Drift Structure», die als Brücke über den Weiher führt, erschien wie von Schwemm­­holz gebildet. Im Schatten der Bäume ruhte Sol LeWitts «Cube», als hätte es die vielen Querelen um ihn nie gegeben. An dieser selbstverständlichen Anwesenheit von Kunst haben auch die zahl­reichen Bauten, die von namhaften Architekturbüros rund um den Weiher ent­standen sind, nichts geändert.

Im Gegenteil: In der jüngsten und letzten Wohn­siedlung des Masterplans wurde die Kunst sogar Teil des Raumprogramms. Von aussen als Schuppen getarnt, ist zwischen Grillplatz, Kleingarten und Kinderspielplatz Pipilotti Rists Video «I Couldn’t Agree With You More» von 1999 eingezogen. Der von der Künstlerin ge­staltete Raum hat die Intimität eines Zimmers, in dem die wandfüllende Pro­jek­tion wie das vergrösserte Display eines Smartphones oder Tablets erscheint. Die Künstlerin fixiert die Kamera; auf ihrer Stirn spiegeln sich nackte Mensch­lein, als wären es verborgene Seiten des Ichs, die aus dem Unterholz aufge­scheucht wurden. Gut möglich, dass ab und zu Anwohnende dem Alltag ent­schlüp­fen und sich hier der Selbstreflektion stellen.

Weniger subversiv, weil grösser und institutioneller, ist die Halle für Walter De Marias 500 m2 umfassendes Werk «The 2000 Sculpture», das eben erst noch im Bührlesaal des Kunsthaus Zürich zu sehen war, für den es der Künstler 1992 geschaffen hatte. Nach der Schliessung der Hallen für Neue Kunst in Schaff­hausen gibt es nun wieder einen Ort, an dem ein Hauptwerk der Minimal Art dauerhaft sichtbar ist. Mit ihm ver­bun­den ist ein kleinerer Raum, in dem Wech­sel­ausstellungen präsentiert wer­den. Den Anfang macht Bice Curiger mit «All Chemie», einer Gegen­über­stellung von Sigmar Polke und Pamela Rosenkranz.

Mit den neuen Räumen der Walter A. Bechtler Stiftung erhält Uster eine Kul­tur­­institution, die sie noch mehr zur Stadt werden lässt. Die international re­nom­mierte Kunst wird auswärtiges Publi­kum anziehen. Doch ist es keine Pil­ger­stätte. In der Wohnsiedlung ist die Kunst die etwas andere Nachbarin. Und der Zell­weger Park bleibt in erster Linie ein öffentlicher Raum, in dem Ange­stell­te wie Anwohnende Ruhe und Erholung suchen. Der «Moosfelsen» hält sich be­deckt, der ‹Cube› schweigt, die Tür zum Schuppen öffnet und schliesst sich leise.

Die Kunst wohnt nebenan

Permanente Installationen:
Walter De Maria «The 2000 Sculpture»
Pipilotti Rist, «I Couldn’t Agree With You More»

Wechselausstellung:
«All Chemie – Sigmar Polke und Pamela Rosenkranz»
8. Mai bis 18. September 2022

bechtlerstiftung.ch

Publiziert in:
Kunstbulletin 7-8/2022, S. 108/109
artlog.net

→ pdf

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert