Bereits drei Mal ist Katja Jug an der République Géniale mit ihrem perfor­ma&shytiven Eat Art-Projekt «Frozen/Unfrozen» aufgetreten. Am Sonntag, den 2. Sep­tem&shyber, findet im Rahmen von Alvin Currans «Maritime Rites» ihre letzte Intervention statt. Meret Arnold hat mit der Künstlerin über ihre Arbeit gesprochen.
Meret Arnold: 2013 hast du das «Hermes Koch­buch» herausgegeben, in dem es um die Ver­bindung von Essen und Erin­nerung geht. Knüpft «Frozen/Unfrozen» daran an?

Katja Jug: Das «Hermes Koch­buch» bildet eine ergie­bige Quelle in meiner Arbeit. Die Figur des Hermes, der Schutz­gott der Rei­senden, drängt sich mir immer wieder auf, weil er stets in Bewegung ist. Er ist weder «Frozen» noch «Unfrozen», sondern da­zwi­schen. Als Bote überbringt er nicht nur Nach­richten, sondern auch Erleuchtung. «Ich werde mein eigener Hermes sein», wurde für mich quasi zum Leit­spruch: Reisen und dabei zu neuen Ein­sichten gelangen.

«Frozen/Unfrozen» ist aber eine eigen­ständige Arbeit, in der andere Erfahrungen genauso ihre Spuren hinter­lassen haben. Auf einer China­reise im letzten Jahr begann ich mich bei­spiels­weise mit Gegen­sätzen zu beschäftigen, so mit den Gegen­sätzen von heiss und kalt in Bezug auf das Klima. Im Süden Chinas haben die Bewohner*innen keine Heizungen. Mich inte­res­sier­ten die Ein­stellung und der Umgang mit der Kälte, bei dem natürlich auch das Essen ein bedeu­tender Teil ist.

Meret Arnold: Auf was bezieht sich der Titel «Frozen/Unfrozen»?

Katja Jug: Die Wörter «Frozen» und «Unfrozen» bezeichnen Aggre­gats- aber auch im meta­pho­rischen Sinne Seins­zustände. Es gibt ein Spannungs­verhältnis zwischen dem Kochen und kör­per­lich-see­lischen Zu­stän­den, das mich inte­res­siert. Der Titel spricht aber auch ganz prak­tische Fragen der Pro­duktion an: Wie kann ich die Speisen auf einen gewissen Zeit­punkt hin her­stellen und ser­vieren?

Meret Arnold: Du hast die Arbeit als Reenact­ment bezeichnet. Was meinst du damit?

Katja Jug: Das Vor­kochen, Ein­frie­ren und Auf­tauen wurde für mich zu einer Form der Erin­nerung. Es ist eine Wieder­auf­führung von Alltags­praktiken, die ich aus den acht­ziger Jahren kenne. Damals war das Ein­frieren modern. Heute sind eher wieder ältere Tech­niken präsent, wie die makro­bio­tische Küche oder das Fermen­tieren. Das Kochen und die Ernährung sind auch ein Spiegel der Gesell­schaft. Die verschie­denen Tech­niken und Lehren tauchen auf und verschwinden. Sie wieder­holen sich, aber unter verän­derten Um­ständen.

Meret Arnold: Zwei Schauspieler servieren das von dir zube­rei­tete Essen per­for­mativ, indem sie zum Beispiel die Zutaten der Speisen laut ausrufen: Knob­lauch! Toma­ten! Oli­ven­öl! Wie wichtig ist dir die Sprache?

Katja Jug: Sehr wichtig. Der Klang der Sprache aktiviert ein anderes Sin­nesor­gan. Er erfüllt die aus ihrem gefro­renen Zustand befrei­ten Speisen mit Leben. Das Bild, der Geschmack, der Klang und die Bewegung der beiden Schauspieler kommen in einem Raum zusammen.

Meret Arnold: Das Publi­kum bekam jeweils ein kleines Geschenk, vakuumierte Ingre­dienzen oder Über­bleibsel davon…

Katja Jug: Auch hier spielt der Wechsel auf eine andere Sinnes­ebene eine wichtige Rolle. Nach dem Geschmacks­erleb­nis wird die Aufmerk­sam­keit wieder auf etwas Visuelles gelenkt: auf einen Apri­kosen- oder Zwetsch­genstein oder auf eine Knob­lauch­zehe. Wun­der­schöne Objekte, die man aber nicht be­achtet oder zu denen man ein zwie­späl­tiges Verhältnis hat. Der Knob­lauch, ein Sym­bol für Frucht­bar­keit und Schutz, hat in unserem Life­style wenig Platz. In «Frozen/Unfrozen» verweisen sie auf den Prozess der Trans­for­mation und werden gleich­zeitig zu Talis­manen, die man mit sich tragen kann.
«Frozen/Unfrozen» – Interview mit Katja Jug

République Géniale
«Frozen/Unfrozen»
23. bis 25. August 2018
republiquegeniale.ch
katejug.net

Publiziert in:
blog.kunstmuseumbern.ch
30. August 2018

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