Ein Boden aus Sand, eine Tischplatte aus Schiefer, Buchstaben aus Holz, Gefässe aus Ton und Pflanzen. Maude Léonard-Contant entwirft in der Ausstellung ‹Digs› im Kunsthaus Baselland einen gleichsam mineralischen wie organischen Raum, in dem Sprache lagert, sich formt und wieder verhallt.
Basel/Muttenz — Die Plots hängen über die Brüstung, rollen aus auf die Galerie. Doch eine Handlung zeigt sich nicht. Die Buchstaben tauchen fragmentarisch auf zwischen den Falten und Schichten des Papiers. Ein Layout wie ein Stück Land, so die dritte Bedeutung von «Plot». Kleine blaue Lecksteine trainieren die Zunge, die wir brauchen, um Wörter zu formen. Zunge und Sprache – im französischen «langue» sind sie eins.
Maude Léonard-Contant (*1979, Joliette, Kanada) weiss, was es bedeutet, neue Sprachen zu lernen. Aufgewachsen im französischsprachigen Québec studierte sie in Montreal, das auch Tiohtià:ke oder Mooniyang heisst. Nach einem Zwischenhalt in Glasgow kam sie in die Schweiz, wo sie ihre Zunge zuerst an den Luzerner, dann an den Basler Dialekt gewöhnen musste. 2020 integrierte sie im Kunstmuseum Luzern erstmals eigene Texte in ihr skulpturales Werk. Nun, im Kunsthaus Baselland schaffen Sprache und Material ihr künstlerisches Habitat.
Im ersten Raum erstreckt sich eine Landschaft aus rotem Ölsand, der sowohl an einen Sandkasten als auch an die tieferen Schichten des kanadischen Waldbodens erinnert. Maude Léonard-Contant hat aus diesem Heimatgrund Worte und Satzfragmente ausgegraben. Die Negativformen sind leer, als müssten sie erst mit Bedeutung gefüllt werden. Im Verlaufe der Ausstellung wird die Künstlerin die Grabungsstätte verändern, neue Funde zum Vorschein bringen und andere verschwinden lassen.
Im zweiten Raum haben die Buchstaben einen Körper, doch stehen sie nicht im Verbund eines Wortes. Als Fries ziehen sie sich um eine Tischskulptur, die Maude Léonard-Contant für die Ausstellung entworfen hat. Wir sind eingeladen, die Buchstaben, die uns über Kopfhörer vorgesprochen werden, mit Kreide auf die schieferne Tischplatte zu schreiben. Geradezu körperlich können wir dadurch die Entstehung von bekannten und fremden Wörtern nachvollziehen.
Im letzten Raum schliesslich finden die Buchstaben zu Texten und zu einer Stimme. Wie Tropfen fallen die Szenen, Erinnerungen oder Listen in den Raum und verklingen, während der Blick von der Liege nach draussen schweift. Säulen aus schwarz-weissen Keramikelementen wachsen vom Boden bis durch die Glasdecke; dazwischen strecken sich Winter-Schachtelhalme in die Höhe. Als Maude Léonard-Contant diese urtümliche Pflanze in der Schweiz ausfindig gemacht hatte, fühlte sie sich zuhause. Ein Gefäss mit Kalkmilch und eines mit Tusche nähren die Entfaltung der Pflanze und der Sprache, als wäre beides organisch miteinander verbunden.
Maude Léonard-Contant – Sprachgründe
«Maude Léonard-Contant – Digs»
Kunsthaus Baselland, Muttenz/Basel
9. September bis 13. November 2022
Publiziert in:
Kunstbulletin 11/2022
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