Philipp Schaerer ist ausgebildeter Architekt und hat Anfang der 2000er Jahre die Bildsprache der Architekturvisualisierungen von Herzog & de Meuron wesentlich mitgeprägt. Heute macht er eigenständige künstlerische Arbeiten, die unsere Sicht auf die Welt in einer von digitalen Medien bestimmten Umwelt befragen. In der République Géniale ist er mit seiner Lehrtätigkeit präsent. Die Bildprojektion «Imaginary Composites – Reconfigured Realities» zeigt anhand von Arbeiten seiner Studierenden experimentelle Gestaltungsansätze für das Entwerfen mit digitalen Bildern. In seinem Hors d’Oeuvre (Mittagsveranstaltungen der République Géniale) am 16. Oktober 2018 sprach Philipp Schaerer über das Bild in der Architektur, seinen Einfluss auf die Wahrnehmung von Architektur und das Tätigkeitsfeld von Architekt*innen. Meret Arnold traf Philipp Schaerer im Vorfeld zum Gespräch.
Meret Arnold: Deine Lehre dreht sich um digitale Bilder im Spannungsfeld zwischen Kunst und Architektur. Um was geht es dir dabei?
Philipp Schaerer: Mir geht es darum, dass die Studierenden das Bildhandwerk nicht verlieren. Das Problem mit dem Bild in der Architektur ist, dass es immer stereotyper wird. Die 3D-Visualisierungen, so genannte Renderings, sind geprägt von einer Out-of-the-box-Ästhetik, fotorealistische Bilder, die keine individuelle Handschrift mehr haben. Die Studierenden brauchen einen kreativeren Zugang zu rechnerbasierten (Bild-)techniken. Sie sollen die von den Programmen vorgegebenen Anwendungsszenarien und Settings hinterfragen und eigene Ästhetiken schaffen.
Meret Arnold: Viele sehen mit dem Entwerfen am Computer die Sinnlichkeit und Individualität des Handwerks schwinden. Wie siehst du das?
Philipp Schaerer: Ein Werkzeug macht die Arbeit nicht von selbst. Entscheidender ist die Art und Weise, wie die Anwender es einsetzen. Das Bildermachen am Computer ist auch ein Handwerk, aber man lotet es noch zu wenig aus.
Meret Arnold: Liegt das Problem in der verfügbaren Software oder in unserer Nutzung der Programme?
Philipp Schaerer: In unserer Nutzung. Die 3D-Visualisierung steckt in den Kinderschuhen, seine darstellerischen Möglichkeiten werden viel zu wenig wahrgenommen. Die Kunstgeschichte hat gezeigt, dass Medien, die neu auftreten, die vorhandene Ästhetik übernehmen. In den Anfängen der Fotografie beispielsweise haben die Piktorialisten versucht, die Malerei zu imitieren. Heute folgen Renderings einer fotorealistischen Ästhetik. Es gibt zwar Alternativen, man denke an die Animationsfilme von Pixar Studios, aber die Architektur bleibt stark auf die Fotografie fixiert.
Meret Arnold: Hat das deiner Meinung nach Einfluss auf die gebaute Architektur?
Philipp Schaerer: Das Gestaltungsmittel hat immer Einfluss auf das Resultat. Ein anderer Punkt erscheint mir hier jedoch ebenso wichtig. Er betrifft die wachsende Verfügbarkeit an digitalen Inhalten über das Internet. Das Internet als weltumspannender Bildverteiler und Inspirationsquelle hat zu einem wahren Inhalt-Recycling geführt. Für den architektonischen Entwurf ist diese Entwicklung eher ernüchternd: Die Entwürfe sehen sich zusehend ähnlich, egal ob sie gebaut oder als Projekte gedacht sind.
Meret Arnold: Was unternimmst du in deiner Lehre, um dieser eingeschränkten Bildsprache entgegenzuwirken?
Philipp Schaerer: Der Lehrschwerpunkt liegt auf dem Arbeiten mit experimentellen und bildlichen Kompositionstechniken. Das Hauptinteresse liegt auf dem bildlichen Zusammenbringen und Neuarrangieren von vermeintlich Unvereinbarem; Bildkonstruktionen, die wenig mit der Realität zu tun haben – Utopien im inhaltlichen Sinne. Auch experimentieren wir mit Bildsprachen und Abstraktionsmöglichkeiten digitaler Bildverfahren mit dem Ziel unser digitales Ausdrucksvermögen zu erweitern.
Meret Arnold: Das digitale Sampling, also die Technik, verschiedene Dinge neu zusammenzusetzen, durchzieht alle deine Aufgabenstellungen.
Philipp Schaerer: Nicht alle, aber viele. Ich sehe heute die Verknüpfung von Inhalten als wichtigste Aufgabe in der Ausbildung. Zwar bieten uns digitale Plattformen eine unermessliche Fülle an Informationsbausteinen, doch haben sie für die heutigen Problemstellungen kaum befriedigende Antworten. Die Studierenden brauchen die Fähigkeit, Informations- und Wissensbausteine in Relation zu bringen, zu arrangieren und sie in neue Zusammenhänge zu stellen. Das heisst auch unkonventionelle Lösungsansätze zu finden. Hier sind im Besonderen experimentelle Kreativitätstechniken angesprochen. Ich glaube, dass in diesem Bereich der Platz für die Gestalter ist, an dem sie etwas bewirken können. Bei Arbeiten mit klaren Handlungsanweisungen ist uns der Computer überlegen. Aber da, wo es intuitiv, irrational, schräg wird, kommt der Computer nicht mit. Diese geistige Elastizität versuche ich zu fördern.
Philipp Schaerer: Mir geht es darum, dass die Studierenden das Bildhandwerk nicht verlieren. Das Problem mit dem Bild in der Architektur ist, dass es immer stereotyper wird. Die 3D-Visualisierungen, so genannte Renderings, sind geprägt von einer Out-of-the-box-Ästhetik, fotorealistische Bilder, die keine individuelle Handschrift mehr haben. Die Studierenden brauchen einen kreativeren Zugang zu rechnerbasierten (Bild-)techniken. Sie sollen die von den Programmen vorgegebenen Anwendungsszenarien und Settings hinterfragen und eigene Ästhetiken schaffen.
Meret Arnold: Viele sehen mit dem Entwerfen am Computer die Sinnlichkeit und Individualität des Handwerks schwinden. Wie siehst du das?
Philipp Schaerer: Ein Werkzeug macht die Arbeit nicht von selbst. Entscheidender ist die Art und Weise, wie die Anwender es einsetzen. Das Bildermachen am Computer ist auch ein Handwerk, aber man lotet es noch zu wenig aus.
Meret Arnold: Liegt das Problem in der verfügbaren Software oder in unserer Nutzung der Programme?
Philipp Schaerer: In unserer Nutzung. Die 3D-Visualisierung steckt in den Kinderschuhen, seine darstellerischen Möglichkeiten werden viel zu wenig wahrgenommen. Die Kunstgeschichte hat gezeigt, dass Medien, die neu auftreten, die vorhandene Ästhetik übernehmen. In den Anfängen der Fotografie beispielsweise haben die Piktorialisten versucht, die Malerei zu imitieren. Heute folgen Renderings einer fotorealistischen Ästhetik. Es gibt zwar Alternativen, man denke an die Animationsfilme von Pixar Studios, aber die Architektur bleibt stark auf die Fotografie fixiert.
Meret Arnold: Hat das deiner Meinung nach Einfluss auf die gebaute Architektur?
Philipp Schaerer: Das Gestaltungsmittel hat immer Einfluss auf das Resultat. Ein anderer Punkt erscheint mir hier jedoch ebenso wichtig. Er betrifft die wachsende Verfügbarkeit an digitalen Inhalten über das Internet. Das Internet als weltumspannender Bildverteiler und Inspirationsquelle hat zu einem wahren Inhalt-Recycling geführt. Für den architektonischen Entwurf ist diese Entwicklung eher ernüchternd: Die Entwürfe sehen sich zusehend ähnlich, egal ob sie gebaut oder als Projekte gedacht sind.
Meret Arnold: Was unternimmst du in deiner Lehre, um dieser eingeschränkten Bildsprache entgegenzuwirken?
Philipp Schaerer: Der Lehrschwerpunkt liegt auf dem Arbeiten mit experimentellen und bildlichen Kompositionstechniken. Das Hauptinteresse liegt auf dem bildlichen Zusammenbringen und Neuarrangieren von vermeintlich Unvereinbarem; Bildkonstruktionen, die wenig mit der Realität zu tun haben – Utopien im inhaltlichen Sinne. Auch experimentieren wir mit Bildsprachen und Abstraktionsmöglichkeiten digitaler Bildverfahren mit dem Ziel unser digitales Ausdrucksvermögen zu erweitern.
Meret Arnold: Das digitale Sampling, also die Technik, verschiedene Dinge neu zusammenzusetzen, durchzieht alle deine Aufgabenstellungen.
Philipp Schaerer: Nicht alle, aber viele. Ich sehe heute die Verknüpfung von Inhalten als wichtigste Aufgabe in der Ausbildung. Zwar bieten uns digitale Plattformen eine unermessliche Fülle an Informationsbausteinen, doch haben sie für die heutigen Problemstellungen kaum befriedigende Antworten. Die Studierenden brauchen die Fähigkeit, Informations- und Wissensbausteine in Relation zu bringen, zu arrangieren und sie in neue Zusammenhänge zu stellen. Das heisst auch unkonventionelle Lösungsansätze zu finden. Hier sind im Besonderen experimentelle Kreativitätstechniken angesprochen. Ich glaube, dass in diesem Bereich der Platz für die Gestalter ist, an dem sie etwas bewirken können. Bei Arbeiten mit klaren Handlungsanweisungen ist uns der Computer überlegen. Aber da, wo es intuitiv, irrational, schräg wird, kommt der Computer nicht mit. Diese geistige Elastizität versuche ich zu fördern.
Nicht eine Frage der Software.
Interview mit Philipp Schaerer zu digitalen Bildern in der Architektur
République Géniale
«Imaginary Composites – Reconfigured Realities»
17. August bis 11. November 2018
republiquegeniale.ch
philippschaerer.ch
constructingtheview.org
Publiziert in:
blog.kunstmuseumbern.ch
15. Oktober 2019
Interview mit Philipp Schaerer zu digitalen Bildern in der Architektur
République Géniale
«Imaginary Composites – Reconfigured Realities»
17. August bis 11. November 2018
republiquegeniale.ch
philippschaerer.ch
constructingtheview.org
Publiziert in:
blog.kunstmuseumbern.ch
15. Oktober 2019