Es ist Frühling. Seit Wochen hat es nicht richtig geregnet. Trotzdem wachsen die grünen Triebe aus der staubigen Erde. Und bei Sam Scherrer Contemporary eröffnet der «Salon de Printemps» mit Kunstschaffenden aus Zürich, die alle – ausser Thomas Müllenbach und das Künstlerkollektiv huber.huber – bereits mit der Galerie zusammengearbeitet haben. Ein unprätentiöses Unterfangen ohne theoretischen Überbau. Aber alsbald entspinnen sich die Gespräche und entstehen Beziehungen zwischen den Werken.
Vertrautes kippt in Fremdartiges, Hierarchien lösen sich auf, Gewissheiten verschwimmen. Die «Wilde Karde» von Ursula Palla entlarvt Kategorien, die nicht mehr greifen. Kraut oder Unkraut, kultiviert oder wild. Es sind Zuschreibungen, die aus bestimmten Wertvorstellungen hervorgehen. Die «Wilde Karde» taucht ungefragt auf, am Rand, im Dazwischen. Meist wird sie ausgezupft. Und entwurzelt steht sie auch hier, gestützt von ihrem Wurzelstock. Ihres Krauts entledigt wirkt sie grazil und graziös. Ein kleines Monument aus Bronze, das unser Ordnungssystem in Frage stellt.
Im Gegensatz zur Karde gehört die Tulpe zu den hochgezüchteten Zierpflanzen und ist Teil der Blumenindustrie. Doch Teresa Chen zeigt die kultivierte Blume im Stadium des Zerfalls. «Tumultous», stürmisch, tosend turbulent, heisst ihre fotografische Serie, in der sie eine Blüte in ungewohnten Nahaufnahmen porträtiert. Die Perspektiven verleihen der Darstellung Dramatik, als würde die Blume gegen die eigene Vergänglichkeit ankämpfen. Ein Vanitas-Stillleben, das in der aufgebäumten, verzerrten Blüte ein Unbehagen gegenüber dem Altern und der Vergänglichkeit zum Ausdruck zu bringen scheint.
In den Collagen von huber.huber löst sich das Bildmotiv schliesslich vollends auf und wir driften ab in traumwandlerische Welten. Markus Huber und Reto Huber bringen Material aus Büchern, den Wissensspeichern der Kultur, in neue rätselhafte Konfigurationen. In der Werkgruppe der «Shibui» bildet der chinesische Gelehrtenstein das Dispositiv für eine halluzinatorische Reise. Aus ihren «Suiseki» spriessen Orchideen und Pilze, docken Vögel und Schmetterlinge an. Nichts ist mehr fest gefügt, und öffnet gerade dadurch neue Türen.
Bei Aldo Mozzini scheint die Welt auf den ersten Blick noch in Ordnung. In zwei Glasvitrinen hat er seine kleinen Bronzefiguren säuberlich gruppiert: Menschen, Vegetation, Architektur. Sie wirken wie die Elemente eines Stadtmodells, die aber nicht mehr zueinander finden. Die Bäume stehen beratend im Kreis; die architektonischen Gebilde blicken von ihrem jeweiligen Pflasterstein ein wenig ratlos in alle Richtungen. Und die Menschen? Sie stehen auf ihren Sockeln wie auf kleinen Rettungsbojen. Eine Horde «Babaus», wie im Tessin die Vogelscheuchen genannt werden, die das Böse fernzuhalten versuchen.
Kommt uns die Medizin zu Hilfe? Wir wachen auf im Operationssaal von Thomas Müllenbach. Immer noch leicht narkotisiert nehmen wir alles verschwommen war. Die zwei Aquarellbilder «Anästhesie» und «Narkose» entstanden während der Pandemie, als die Spitäler in unseren Fokus rückten. Sie sind Zeichen unserer Zivilisation und des Fortschritts, doch ist klar geworden, dass sie allein es nicht richten kann. Thomas Müllenbach hat die Bilder auf Fallschirmseide gemalt. Vielleicht ist die Kunst unsere Rettung? Sicher, doch werden wir auch auf die Raupen angewiesen sein, die uns die Seide spinnen.
Vertrautes kippt in Fremdartiges, Hierarchien lösen sich auf, Gewissheiten verschwimmen. Die «Wilde Karde» von Ursula Palla entlarvt Kategorien, die nicht mehr greifen. Kraut oder Unkraut, kultiviert oder wild. Es sind Zuschreibungen, die aus bestimmten Wertvorstellungen hervorgehen. Die «Wilde Karde» taucht ungefragt auf, am Rand, im Dazwischen. Meist wird sie ausgezupft. Und entwurzelt steht sie auch hier, gestützt von ihrem Wurzelstock. Ihres Krauts entledigt wirkt sie grazil und graziös. Ein kleines Monument aus Bronze, das unser Ordnungssystem in Frage stellt.
Im Gegensatz zur Karde gehört die Tulpe zu den hochgezüchteten Zierpflanzen und ist Teil der Blumenindustrie. Doch Teresa Chen zeigt die kultivierte Blume im Stadium des Zerfalls. «Tumultous», stürmisch, tosend turbulent, heisst ihre fotografische Serie, in der sie eine Blüte in ungewohnten Nahaufnahmen porträtiert. Die Perspektiven verleihen der Darstellung Dramatik, als würde die Blume gegen die eigene Vergänglichkeit ankämpfen. Ein Vanitas-Stillleben, das in der aufgebäumten, verzerrten Blüte ein Unbehagen gegenüber dem Altern und der Vergänglichkeit zum Ausdruck zu bringen scheint.
In den Collagen von huber.huber löst sich das Bildmotiv schliesslich vollends auf und wir driften ab in traumwandlerische Welten. Markus Huber und Reto Huber bringen Material aus Büchern, den Wissensspeichern der Kultur, in neue rätselhafte Konfigurationen. In der Werkgruppe der «Shibui» bildet der chinesische Gelehrtenstein das Dispositiv für eine halluzinatorische Reise. Aus ihren «Suiseki» spriessen Orchideen und Pilze, docken Vögel und Schmetterlinge an. Nichts ist mehr fest gefügt, und öffnet gerade dadurch neue Türen.
Bei Aldo Mozzini scheint die Welt auf den ersten Blick noch in Ordnung. In zwei Glasvitrinen hat er seine kleinen Bronzefiguren säuberlich gruppiert: Menschen, Vegetation, Architektur. Sie wirken wie die Elemente eines Stadtmodells, die aber nicht mehr zueinander finden. Die Bäume stehen beratend im Kreis; die architektonischen Gebilde blicken von ihrem jeweiligen Pflasterstein ein wenig ratlos in alle Richtungen. Und die Menschen? Sie stehen auf ihren Sockeln wie auf kleinen Rettungsbojen. Eine Horde «Babaus», wie im Tessin die Vogelscheuchen genannt werden, die das Böse fernzuhalten versuchen.
Kommt uns die Medizin zu Hilfe? Wir wachen auf im Operationssaal von Thomas Müllenbach. Immer noch leicht narkotisiert nehmen wir alles verschwommen war. Die zwei Aquarellbilder «Anästhesie» und «Narkose» entstanden während der Pandemie, als die Spitäler in unseren Fokus rückten. Sie sind Zeichen unserer Zivilisation und des Fortschritts, doch ist klar geworden, dass sie allein es nicht richten kann. Thomas Müllenbach hat die Bilder auf Fallschirmseide gemalt. Vielleicht ist die Kunst unsere Rettung? Sicher, doch werden wir auch auf die Raupen angewiesen sein, die uns die Seide spinnen.
Salon de Printemps
Salon de Printemps – Teresa Chen, Ursula Palla, Huber.Huber, Aldo Mozzini, Thomas Müllenbach
sam scherrer contemporary, Zürich
23. April bis 7. Mai 2022
Publiziert in:
Salon de Printemps, Ausst.-Kat., Zürich: Sam Scherrer Contemporary, 2022.