Leerstand. Langsam sucht das Auge seinen Weg durch die Gemälde von Stefan Guggisberg (*1980, Thun), tastet sich den benennbaren Gegenständen entlang: da ein Sessel, eine Wand, dort eine Öffnung in ein anderes Zimmer, am Boden lose amorphe Gebilde, die nur zum Teil erkennbare Gegenstände ausformen. Die Gemälde sind durchdrungen von Bewegungen, die Innenräume in Rauch aufgehen, Formen zerfliessen, in ihre einzelnen Farbpartikel «verdampfen» lassen. Oder sind, anders herum gedacht, die Räume gerade im Begriff, sich aus dem Farbteppich herauszulösen? Im Oszillieren zwischen abstrakten Farbstrukturen und fassbaren Gegenständen und Räumlichkeiten zeigt sich das zentrale Thema von Guggisbergs Malerei: Es ist dies nicht die Wiedergabe von Realitäten, sondern der künstlerische Prozess der Bildfindung selbst.
In seinem Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig beim Maler Neo Rauch hat Guggisberg zu einer eigenständigen Methode gefunden, die ihm erlaubt, intuitiv und ohne festes Ziel vorzugehen und das Bild sozusagen malend zu «finden». Für seine farbigen Gemälde hat er dazu ein aufwändiges Grundierungsverfahren entwickelt. Mit dem Pinsel stupft er fein und in unterschiedliche Richtungen Ölfarbe auf die ganze Fläche des Papiers und wiederholt diesen Vorgang mit unterschiedlichen Farbtönen, bis ein flimmernder Raster entsteht.
Guggisberg nennt diese Struktur ein Möglichkeitsfeld, aus dem im Prinzip jedes Bild hervorgehen könnte. Mit den Eingriffen des Künstlers in den Raster verbinden sich die Farben neu und entwickeln sich die Bilder. Seine Interventionen sind jedoch nicht willkürlich. Er lässt sich von der atmosphärischen Grundstimmung der Struktur leiten, die von den Helligkeitswerten, ihrer Dichte und der Saugstärke des verwendeten Papiers erzeugt wird. Abwechselnd mit Radiergummi und Pinsel verändert er dieses Gefüge bis das Bild langsam Gestalt annimmt. Er scheint den suchenden Gestus dem «imperativen» grundsätzlich vorzuziehen. Auch in seinen Schwarz-Weiss-Bildern malt er das weisse Papier erst schwarz zu und differenziert dann Räume und Gegenstände in einem stetigen Prozess von Ab- und Auftragen aus.
Zu einem grossen Teil sind es Innenräume, die sich in der Struktur ausformen, so als sei der Malprozess davon bestimmt, in dem «Farbrauschen» (Guggisberg) irgendwo Halt zu finden. Guggisberg leuchtet die Räume aber nie ganz aus und belässt sie gerne im Diffusen. Der Farbraster legt sich dann wie ein Nebel über das Gemälde, verhüllt die Sicht auf die Dinge oder verschluckt sie ganz. Dabei gewinnen die Bilder eine erstaunlich akustische Dimension. Sie sind sehr still, als würde der Farbnebel die Geräusche dämpfen. Unterstützt wird diese Wirkung durch die Stofflichkeit der Gemälde. Textilien sind als Kleider, Decken und Tücher in vielen Gemälden bildhaft präsent; an anderen Stellen erscheint die Farbstruktur als weiche Tapete oder flauschiger Teppich, die Wände und Böden polstern.
Die Stille macht bewusst, wie menschenleer und isoliert diese Räume sind. Fenster, die eine Verbindung zu einer Aussenwelt herstellen könnten, gibt es fast keine. Sogar der Fernsehbildschirm in einem Bild empfängt keinen Kanal und flimmert nur weiss. Zwar sind überall Spuren menschlicher Präsenz zu entdecken: Objekte, vielleicht Kleider, sind über den Boden verteilt, ein Tisch und ein Sessel – Möbel, die zum Wohnen gebraucht werden, ein Stuhl, der umgekippt auf dem Boden liegt. Die Räume sind intim, privat, doch ist der Mensch darin nur in seiner Abwesenheit präsent. Es ist nicht sicher, ob es sich um behagliche Rückzugsorte handelt, wie das Wort Insel in einem der Bildtitel suggerieren mag, oder ob nicht die Gefahr der Isolation innerhalb der vier Wände lauert. Ist der Rucksack, der bei erwähntem Bild prominent neben dem Bett auf dem Boden steht, wirklich für die Abreise gepackt? Werden die Mäntel, die in einem anderen Bild wie ausgestellt an den Wänden hängen, jemals angezogen?
Guggisbergs Räume beschreiben, in den eher nächtlichen Szenerien wie auch in den helleren von Licht durchfluteten Gemälden, existentielle Stimmungsbilder. Die Welt ist darin nicht greifbar, bleibt im Diffusen und in steter Veränderung begriffen. Die Konstante der Gemälde bildet der Farbraster, in dem die Potentialität neuer Bilder pulsiert und der den Bildern Energie und Lebendigkeit verleiht.
In seinem Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig beim Maler Neo Rauch hat Guggisberg zu einer eigenständigen Methode gefunden, die ihm erlaubt, intuitiv und ohne festes Ziel vorzugehen und das Bild sozusagen malend zu «finden». Für seine farbigen Gemälde hat er dazu ein aufwändiges Grundierungsverfahren entwickelt. Mit dem Pinsel stupft er fein und in unterschiedliche Richtungen Ölfarbe auf die ganze Fläche des Papiers und wiederholt diesen Vorgang mit unterschiedlichen Farbtönen, bis ein flimmernder Raster entsteht.
Guggisberg nennt diese Struktur ein Möglichkeitsfeld, aus dem im Prinzip jedes Bild hervorgehen könnte. Mit den Eingriffen des Künstlers in den Raster verbinden sich die Farben neu und entwickeln sich die Bilder. Seine Interventionen sind jedoch nicht willkürlich. Er lässt sich von der atmosphärischen Grundstimmung der Struktur leiten, die von den Helligkeitswerten, ihrer Dichte und der Saugstärke des verwendeten Papiers erzeugt wird. Abwechselnd mit Radiergummi und Pinsel verändert er dieses Gefüge bis das Bild langsam Gestalt annimmt. Er scheint den suchenden Gestus dem «imperativen» grundsätzlich vorzuziehen. Auch in seinen Schwarz-Weiss-Bildern malt er das weisse Papier erst schwarz zu und differenziert dann Räume und Gegenstände in einem stetigen Prozess von Ab- und Auftragen aus.
Zu einem grossen Teil sind es Innenräume, die sich in der Struktur ausformen, so als sei der Malprozess davon bestimmt, in dem «Farbrauschen» (Guggisberg) irgendwo Halt zu finden. Guggisberg leuchtet die Räume aber nie ganz aus und belässt sie gerne im Diffusen. Der Farbraster legt sich dann wie ein Nebel über das Gemälde, verhüllt die Sicht auf die Dinge oder verschluckt sie ganz. Dabei gewinnen die Bilder eine erstaunlich akustische Dimension. Sie sind sehr still, als würde der Farbnebel die Geräusche dämpfen. Unterstützt wird diese Wirkung durch die Stofflichkeit der Gemälde. Textilien sind als Kleider, Decken und Tücher in vielen Gemälden bildhaft präsent; an anderen Stellen erscheint die Farbstruktur als weiche Tapete oder flauschiger Teppich, die Wände und Böden polstern.
Die Stille macht bewusst, wie menschenleer und isoliert diese Räume sind. Fenster, die eine Verbindung zu einer Aussenwelt herstellen könnten, gibt es fast keine. Sogar der Fernsehbildschirm in einem Bild empfängt keinen Kanal und flimmert nur weiss. Zwar sind überall Spuren menschlicher Präsenz zu entdecken: Objekte, vielleicht Kleider, sind über den Boden verteilt, ein Tisch und ein Sessel – Möbel, die zum Wohnen gebraucht werden, ein Stuhl, der umgekippt auf dem Boden liegt. Die Räume sind intim, privat, doch ist der Mensch darin nur in seiner Abwesenheit präsent. Es ist nicht sicher, ob es sich um behagliche Rückzugsorte handelt, wie das Wort Insel in einem der Bildtitel suggerieren mag, oder ob nicht die Gefahr der Isolation innerhalb der vier Wände lauert. Ist der Rucksack, der bei erwähntem Bild prominent neben dem Bett auf dem Boden steht, wirklich für die Abreise gepackt? Werden die Mäntel, die in einem anderen Bild wie ausgestellt an den Wänden hängen, jemals angezogen?
Guggisbergs Räume beschreiben, in den eher nächtlichen Szenerien wie auch in den helleren von Licht durchfluteten Gemälden, existentielle Stimmungsbilder. Die Welt ist darin nicht greifbar, bleibt im Diffusen und in steter Veränderung begriffen. Die Konstante der Gemälde bildet der Farbraster, in dem die Potentialität neuer Bilder pulsiert und der den Bildern Energie und Lebendigkeit verleiht.
Zu den Gemälden von Stefan Guggisberg
«Stefan Guggisberg – Resonanz» sic! Raum für Kunst, Luzern
27. Februar bis 20. März 2010
sic-raum.ch
stefanguggisberg.com
→ PDF
«Stefan Guggisberg – Resonanz» sic! Raum für Kunst, Luzern
27. Februar bis 20. März 2010
sic-raum.ch
stefanguggisberg.com