«A portrait is not of somebody but about somebody», sagt Dieter Hall. Und ein Teil des Künstlers steckt immer mit drin – nicht nur in den Porträts, sondern auch in den alltäglichen Dingen, die er malt. Halls Ausstellung bei Kupper Modern bringt diese Verbundenheit besonders schön zum Ausdruck.

Zürich — Die Gemälde haben Signal­wirkung: ein Triptychon in kräftigen Far­ben, darauf drei Mal ein Mann, der uns aufrecht gegenüber­steht. Im ersten blau-weiss gekleidet auf rotem Hinter­grund mit dem Adler auf der Schulter; im zwei­ten nackt vor einer warmgelben Fläche und im dritten im Spitalhemd. USA, Afro­amerikaner, Schwarz, Homo­sexualität, AIDS. Die Begriffe füllen den Raum, aber ohne politische Aus­rufe­zeichen. Die offen­sichtliche Brisanz eines nackten, schwarzen, schwulen Män­ner­körpers zeigt sich am Eingang zu Kupper Modern: ein Hakenkreuz – muss ich dieses Wort tatsächlich schreiben?! – ist auf das Galerie­schild geschmiert; der Galerist und der Künstler haben Droh­briefe er­halten. Das Trip­tychon malte Dieter Hall 1991 in New York, wo er fast dreissig Jahre lebte; die Homophobie stammt aus Zürich im Jahr 2021.

Kommt erst mal rein, setzt euch zu uns, scheint der gemalte, schlichte Barhocker zu sagen, der links an der Wand hängt. Darf ich vorstellen? Der Mann heisst Alistair Buster. Er war Tänzer beim Tanz­theater von Alvin Ailey, aber vor allem war er ein guter Freund des Künst­lers. Wir werden in der Ausstellung noch viele Freunde von Dieter Hall treffen. David, Terry und Leo zum Beispiel; Schau­spieler und Musiker wie Bill Rice, Steve Lacy, Cecil Taylor oder Julius Eastman zeugen vom kreativen Spirit New Yorks. Mit angereist sind ausserdem die «Hausgötter»: der Milchkrug, das Telefon auf dem Nachttisch, eine Ecke aus dem New Yorker Atelier, mehrere Stühle. Dieter Hall (*1958) hat gemalt, was ihn um­gab. Die Porträts entstanden mithilfe von Foto­grafien. So verbrachte er viel Zeit allein. ‹Splendid Isolation›, das Bild seiner Atelierwand, auf der er beim Malen den Pinsel abstrich, steht sinnbildlich für diesen Schaffensprozess und gibt der Ausstellung ihren Titel.

Auch wir lassen die Öffent­lich­keit hinter uns und steigen hinab in den Kunst­raum, der einmal mehr Schutz­raum ist. Alain Kupper hat die Ausstellung sehr feinsinnig kuratiert. Zwei dicht mit Pastellzeichnungen, Litho­graphien und Mono­typien behängte Wände lassen uns eintreten in Bäder, Schlaf- und Wohn­zimmer. Raum­ecken, Wannen und Ge­fässe erzeugen Geborgenheit. Mit Schalk zitiert Dieter Hall Werke von Edgar Degas oder Pierre Bonnard und ersetzt die nackte Frau mit einem Mann, der sich keck die Hände auf die Po­backen legt. Wohlig eingestimmt begegnen wir danach weiteren grossformatigen Öl­porträts. Wieder scheint der Humor auf und es wird fröhlich absurd, als die Mit­glieder des «nackten Orchesters» auf­treten. Der un­wirtliche Schneeregen, der in Zürich auf die Strassen tropft, ist weit weg.

Dieter Hall – Gemalte Freundschaften

«Dieter Hall – Splendid Isolation»
Kupper Modern, Zürich
17. September 2021 bis 15. Januar 2022

kupper-modern.com
dieterhall.ch

Publiziert in:
Kunstbulletin 1-2/2022, S. 104/105
artlog.net

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